Dienstag, 25. Januar 2011

Dienstag 1. Juni 2010: Säki, Baydarli, Zaqatala, Lagodekhi (160 km)


Der Innenhof der Karawanserei ist wirklich märchenhaft. Nebenan, mitten im Rosengarten, wäre ein ganz tolles Restaurant, aber meinen Versuch, dort zu frühstücken, breche ich nach etwa 10 Minuten ungeduldig ab, da man dort nicht mal schnell eben was im Stehen bekommt, sondern sich 5 - 10 Bedienstete aufwändig um einen bemühen, was ich gar nicht wollte. Die Pausen hebe ich mir lieber für später auf, wenn ich erschöpft bin. Der Khanspalast am Ende der Straße ist die Hauptsehenswürdigkeit von Säki, eine deutsche Reisegruppe wird herumgeführt. Nach 1991 gab es im Palast eine Zeitlang kein Gas, eine Gruppe von Denkmalpflegern aus Mecklenburg hat die damals entstandenen Wasserschäden an den Fresken etwas stil-unecht mit wolkigen Motiven übermalt, aber was soll man machen? Am Ausgang betrachtet ein Herr mittleren Alters mein Fahrrad, er sei eigentlich auch ein begeisterter Radfahrer. Aber er scheint eine Krankheit am Kehlkopf zu haben und kann eigentlich kaum sprechen.
Karawanserei Säki
... wo man auch übernachten kann
Khanspalast Säki
Übermalte Wasserschäden im Khanspalast
Am Stadtpark in Säki gibt es eine türkische Bäckerei, der Fladen schmeckt so gut, dass ich gleich nachkaufen will. Aber man schenkt mir die zweite Bestellung einfach so. Danach finde ich endlich das erste normale Restaurant seit Baku und meinen ersten Borschtsch, ein Traum. Ein Bier gibt es allerdings diesmal nicht.

Es ist für die nicht extrem abenteuerlustigen Menschen empfehlenswert, von Säki nach Zaqatala nicht die kürzere nordöstliche Verbindung über Qax zu nehmen, da es dort zum Teil keine Brücken gibt, sondern wie ich den Umweg über die ein paar hundert Meter tiefer gelegene südliche Straße neben der Eisenbahnlinie. Es geht also insgesamt etwa 450 HM bergab zum großen Eingangstor von Säki, hier spürt man die Hitze schon deutlicher. Die majestätischen Gipfel des Großen Kaukasus tauchen zwischen den Wolken auf.
Eingangstor von Säki, weit unterhalb der Stadt
Der Große Kaukasus taucht auf
Teilweise sind die Brücken auch hier voller Schlamm, weiter oben auf der nordöstlichen Straße sind die Straßen angeblich für Autos teilweise unpassierbar. An einem Kiosk will der Besitzer kurz mein Fahrrad testen und schenkt mir dafür eine (sogar noch nicht abgelaufene) Zweiliterflasche Fanta. Generell befinden sich die Sachen in den Kiosken meist in der Zwischenwelt nach dem letzten Verkaufsdatum, aber noch vor dem Ablaufdatum.

Die beiden letzten größeren Orte in Aserbaidschan, Zaqatala und Balakän, lasse ich links liegen, da ich noch in der Nacht nach Georgien einreisen möchte. Die Straßen und Brücken in diesen Orten sind originell (oder kitschig, je nach Sichtweise) mit überdimensionierten Lichterketten behängt. Die paar Kilometer bis zur Grenze gehen dann durch unbeleuchteten dichten Wald, es ist absolut stockfinster, beinah gruselig, und totenstill. Um 0:30 h fahre ich erwartungsvoll über die Brücke von Aserbaidschan nach Georgien, einige düstere Gestalten schlendern herum. Aber hier an der Grenze braucht man natürlich keine Angst zu haben.

"Herzlich Willkommen", begrüßen mich die sehr netten georgischen Grenzbeamten auf deutsch. Und "don't be afraid", worauf ich frage, ob es denn gefährlich sei. "Nein, gar nicht". "Also sind nur die Hunde gefährlich?" "Ja, nur die Hunde", und sie schütteln "tsssss" murmelnd den Kopf. Ich habe keine Vorstellung von dem Land, außer, dass man hier extrem gastfreundlich sein soll. Sie halten ihre Hunde an der Grenze fest, so kann ich unbelästigt losdüsen, hinein ins geheimnisvolle Georgien. Nach wenigen Minuten gibt es, welch Glücksfall, sogar eine Wasserstelle am Wegrand und ich möchte mich biwakfertig machen.

Sein T-Shirt!
Aber gleich werde ich von der georgischen Gastfreundlichkeit überrollt: zwei Typen mittleren Alters kommen mit ihrem Auto angefahren und erklären mir überschwänglich, jetzt, wo ich sie kennengelernt habe, könne mir absolut nichts mehr passieren. Sie reden und reden (ihr Englisch ist ganz OK), in jedem zweiten Satz kommt "Georgia, Geoorgia!!" vor. Ich finde sie nett, schon weil der Eine ein Fahrrad-T-Shirt trägt, aber nach ein paar Minuten möchte ich dann eigentlich allein in Ruhe einen Biwakplatz suchen. Nur geht das jetzt nicht mehr, sie lassen sich einfach nicht abwimmeln. Sie fahren die ganze Zeit mit ihrem Mercedes wie Bodyguards vor und neben mir her, um "für meine Sicherheit zu garantieren". Es ist nichts zu machen, ich bin verzweifelt, auch ein Sitzstreik meinerseits wimmelt sie nicht ab. Als ich sage, ein Auto neben mir stresst mich extrem, fahren sie etwa einen Kilomenter voraus. Erst später sollte ich erfahren, dass erstens in Georgien Frauen nicht allein bei Dunkelheit auf die Straße gehen und zweitens, dass das nicht grundlos so ist. Die Absichten meiner Bewacher sind durchaus edel, aber momentan bin ich echt mit meinem Latein am Ende. Die einzige Unterkunft wäre in einigen Kilometern in Lagodekhi eine laut Chris katastrophale Absteige ohne Strom und Wasser. Angeblich übernachte ich nun dort. Als wir da sind und meine Bewacher ausgestiegen sind, um mich zur Tür zu eskortieren, pfeife ich so schnell es geht davon und bin sie los. Es ist schon halb zwei Uhr morgens, aber die Straßen sind noch voller Leben, Familien mit Kinderwägen flanieren herum, als hätten wir Sonntag Nachmittag. Etwa 3 km nach Lagodekhi, wo in der Stockdunkelheit die Straße nach Süden in Richtung Sighnaghi abzweigt, ich aber geradeaus Richtung Kvareli weiterfahre, finde ich, nachdem ich noch einige (echte) Hunde abhängen musste, an einem Hang meinen ersehnten Biwakplatz, es ist schon kurz vor zwei Uhr.

Ich hoffe, dass der Rest in Georgien etwas unanstrengender wird. Im Nachhinein muss ich sagen, ich hätte mich vorab mehr über die Sitten in Georgien informieren müssen, wo Frauen nicht einmal Auto fahren, auch nicht tagsüber.